Die deutsche Wirtschaft kann 2014 kräftig wachsen, die
Wende im Kampf gegen die Krise könnte gelingen. von Mark Schieritz
Für die Deutschen wird 2014 ein gutes Jahr werden. Das
ist kein Fakt, sondern eine Prognose – aber eine, die sich gut begründen lässt.
In der Weltwirtschaft sind derzeit Kräfte am Werk, die Deutschland fast
unaufhaltsam nach oben schieben. Das Geld ist so günstig wie nie, weil Anleger
von überall her ihr Erspartes hierzulande anlegen wollen, wo es ihnen besonders
sicher erscheint. Diese Finanzströme sind eine wichtige Stütze für die deutsche
Konjunktur, weil Investitionen somit günstig finanziert werden können.
Zudem profitieren die hiesigen Unternehmen davon, dass
sich das starke Deutschland die Währung mit den weniger starken Staaten im
Süden der Europäischen Union teilt. Deren Schwierigkeiten drücken den
Wechselkurs des Euro an den internationalen Devisenmärkten nach unten – mit der
angenehmen Folge, dass die deutschen Firmen ihre Waren im Ausland
preisgünstiger anbieten können.
Es muss schon ziemlich viel schieflaufen, damit unter
solchen Bedingungen kein Aufschwung zustande kommt. Und weil in Deutschland
zurzeit nicht so viel schiefläuft, dürfte die Wirtschaft im kommenden Jahr
ordentlich wachsen. Die Löhne und die Gehälter werden steigen, die
Steuereinnahmen zulegen, und die Staatsschuldenquote wird von ganz alleine
zurückgehen. Es ist noch nicht so lange her, da galt es als ausgemacht, dass es
in Deutschland nichts mehr zu verteilen gibt. Jetzt kann die Große Koalition
unter Angela Merkel und Sigmar Gabriel nach bisheriger Planung in den kommenden
vier Jahren rund 23 Milliarden Euro verteilen.
Und was macht die Große Koalition ohne große Krise?
Am Ende könnte es sogar die eine oder andere Milliarde
mehr werden. Schließlich steht auch der Rest der Welt heute wirtschaftlich
besser da als noch vor ein paar Monaten. In den Vereinigten Staaten geht es
wieder aufwärts, und das strahlt wegen des ökonomischen Gewichts der
amerikanischen Wirtschaft auf alle Kontinente aus.
Sogar in Europa ist wohl das Schlimmste vorbei. Irland
und Spanien haben den europäischen Rettungsschirm bereits verlassen, Portugal
könnte im Frühjahr folgen. Griechenland wird neue Hilfe benötigen, doch um sehr
viel Geld geht es da nicht. Mit Ausnahme von Zypern dürfte die Wirtschaft in
allen Krisenstaaten wieder wachsen.
Die Arbeitslosigkeit ist damit zwar noch lange nicht
besiegt. Doch so bitter das für die Betroffenen ist: Für die deutsche
Wirtschaft ist das kein existenzielles Problem. Die hiesigen Unternehmen
verdienen ihr Geld zunehmend auf dem Heimatmarkt oder weichen nach Asien aus.
Europa hat an Bedeutung verloren. Und wenn die Situation eskaliert, wird sich
wie bisher schon die Europäische Zentralbank der Sache annehmen.
Es kann natürlich auch anders kommen. Risiken gibt es ja
immer mehr als genug. Vielleicht gelangen in Griechenland extreme politische
Parteien an die Macht. Vielleicht kippt die Konjunktur in Frankreich.
Vielleicht platzt die Schuldenblase in China. Wahrscheinlicher aber ist, dass
2014 die Wende im Kampf gegen die Krise gelingt. Damit ist nicht gesagt, dass
Europa wieder zu alter Stärke zurückfindet. Aber es dürfte erheblich ruhiger
zugehen. Vielleicht sogar für die nächsten vier Jahre.
Angela Merkel hat nach ihrer Wiederwahl den Deutschen
versprochen, dass es ihnen am Ende der Legislaturperiode besser gehen wird als
heute. Es sieht ganz so aus, als werde sie ihr Versprechen halten können, ohne
viel dafür tun zu müssen. Das unterscheidet diese schwarz-rote Regierung von
früheren Allianzen der beiden großen Volksparteien. Damals waren die Themen
vorgegeben: Die erste Große Koalition musste sich um die schwere Konjunkturkrise
der sechziger Jahre kümmern, die zweite um die Weltfinanzkrise. Das dritte
Bündnis zwischen Union und Sozialdemokraten muss sich nun sein Thema selbst
suchen.
Das ist für das Land zunächst einmal eine Chance. Merkel
und Gabriel können sich um die Dinge kümmern, von denen die wirtschaftliche
Zukunft Deutschlands abhängt: die Infrastruktur, den demografischen Wandel, die
Lebensverhältnisse derjenigen, die von der wirtschaftlichen Erholung nicht
profitiert haben, die künftige Gestalt Europas.
Regierungstechnisch ist der Zugewinn an
Gestaltungsfreiheit eine ziemliche Herausforderung. Eine Panne bei der Rettung
einer Bank kann einen Flächenbrand auslösen. Das diszipliniert die Beteiligten
und erzwingt pragmatische Lösungen. Wenn eine Brücke nicht gebaut wird, dann
geht das Land nicht gleich zugrunde. Die Konjunktur ist derzeit sogar so
stabil, dass auch größere Fehlentscheidungen – bei der Rente, bei der
Energiewende, beim Mindestlohn – die Wirtschaft kurzfristig nicht aus der Spur
bringen werden. Der Schaden wird erst im nächsten Abschwung zu besichtigen
sein. Damit fällt ein wichtiges Regulativ politischen Handelns weg.
Die vergangenen acht Jahre haben gezeigt, wie Politik
unter Druck funktioniert. Die kommenden vier Jahre könnten zeigen, wie Politik
ohne Druck funktioniert. In diesem Fall muss sich auch die Krisenkanzlerin
Merkel eine neue Rolle suchen. Sie kann sich nicht mehr in den Strom der
Ereignisse stellen, sondern muss selbst Ereignis werden. So wird vielleicht in
ihrer dritten Amtszeit offenbar, wofür Angela Merkel eigentlich steht. Das ist
die politische Dimension des Aufschwungs.
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